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22 März 2022
Eine Geschichte über das Verlassen der Komfortzone und die Folgen dieser Entscheidung
Es ist Donnerstagabend. Ein Tag vor Silvester. Ich bin seit mehreren Stunden in der Innenstadt Erfurts unterwegs. Es herrscht reges Treiben. Als ich mich auf den Heimweg begebe, komme ich an Straßenmusikern vorbei, denen ich kurz zuhöre. 

Mein Handy klingelt und ich verabrede mich spontan mit einer Freundin, die ich länger nicht gesehen habe – trotz Kälte und Hunger. Nach weiteren 20 Minuten Straßenmusik ist meine Freundin angekommen und wir wollen uns was zu essen besorgen.

Unerwartete Bekanntschaft

Wir laufen keine 50 Meter und sehen einen Schlafplatz unter einem Brückenbogen. Schlafsack, Isomatte, Jacke. Wir beschließen hinzugehen und fragen nach, ob wir ihm etwas zu Essen mitbringen sollen. Sein Name ist Max. Er ist ganz verwundert, vollkommen überfordert mit der freien Essensauswahl.
Nicht weit weg holen wir für uns drei etwas Essbares und dazu noch eine Flasche Limonade. Als wir zurückkommen, fragen wir nach, woher er kommt und wie lang er schon in Erfurt ist, wie seine Nächte sind und wie lang er schon auf der Straße lebt.
Er erzählt. Wir setzen uns zu ihm, essen alle drei unser Essen. Und er erzählt weiter. Ich sehe in seinen Augen blitzt Einsamkeit, Traurigkeit und gleichzeitig Hoffnung, den Willen durchzuhalten. Vor allen Dingen entdecke ich in seinem Blick ein großes Erstaunen, dass er schon über eine halbe Stunde in einer Unterhaltung mit uns steckt. Während des Gesprächs wird mein Herz immer schwerer. Ich stecke in einem Wirrwarr von Gefühlen aus Betroffenheit, Entsetzen, Mitgefühl und Scham. Am Ende betet und segnet meine Freundin den Mann. Jetzt weint er.

In Bewegung setzen

Wir gehen weiter. Beide fest entschlossen etwas Geld von der Bank abzuheben, um es ihm noch vorbeizubringen. Auf dem Weg kommen wir erneut an den Straßenmusikern vorbei. Gerade packen sie alles zusammen. Es ist kurz nach 22 Uhr. Wir kommen mit ihnen ins Gespräch und erzählen kurz von Max. Sie wollen ihm gern etwas Geld schenken. Also gehen wir gemeinsam zurück zu Max. Er ist ganz überrascht uns noch mal zu sehen. Alle von uns geben ihm Geld. Plötzlich kommt ein fremder Mann vorbei und gibt Max auch etwas. Ein Straßenmusiker kommt mit Max ins Gespräch und meint, er würde ihm gern helfen. Er bietet ihm bei Wohnungssuche und Ämtergängen Unterstützung an. Max ist perplex. Der Straßenmusiker meint, er komme in zwei Wochen wieder. Bis dahin ist er arbeiten in einer anderen Stadt. Wir verabschieden uns von Max. Max sitzt da, in seinem Schlafsack auf dem Boden. Ich glaube er weiß nicht, wie ihm geschieht. Er schaut das ganze Geld in seinen Händen an. Und sitzt regungslos in seinem Schlafsack.

Komfortzonen sind zu gemütlich

An diesem Abend habe ich meine Komfortzone verlassen und es ist Großes passiert. 
In den nächsten Tagen bin ich ab und zu bei Max vorbeigefahren. Noch immer lag er an der gleichen Stelle. Nie habe ich mich getraut zu ihm zugehen. Obwohl ich weiß, dass es Max und mir gut tun würde, meine Komfortzone erneut zu verlassen, schaffe ich es nicht.
Nun ist dieses Ereignis schon mehr als zwei Wochen her. Als ich erneut am Brückenbogen vorbeifuhr, lag Max nicht mehr dort, sondern nur noch eine verlassene Matratze. Ich hoffe, Grund für diese einsame Matratze ist der Straßenmusiker, der zurück zu Max kam, um ihn bei seinen nächsten Schritten unter die Arme zu greifen.

Wie oft geht es uns im Leben so? 

Dass wir es nicht schaffen die eigene Bequemlichkeit zu bezwingen. Dass wir innerliche Grenzen nicht überwinden können.
Doch wenn wir es schaffen, kann plötzlich etwas ins Rollen kommen. Am Ende braucht es manchmal gar nicht so viel, die Komfortzone zu verlassen. Vielleicht nur etwas Mut, vielleicht nur den Blick für unsere Mitmenschen, vielleicht nur etwas Zeit, um wirklich hinzuhören. So war Jesus und so dürfen auch wir sein: menschenzugewandt, mutig, hinhörend.

Besser als Kaffee oder Eis:

Erst wenn wir in Aktion kommen, wenn wir ausbrechen, hat Gott richtig viel Spielraum, Großes zu vollbringen, Dinge ins Rollen kommen zu lassen. Ich stelle mir das wie einen Kaffee oder einen Eisbecher mit Sahne vor. Allein der Kaffee oder das Eis sind schon gut genug. Doch erst das Sahnehäubchen macht es zu etwas richtig Besonderem.
Allein die Begegnung mit Max und das gemeinsame Essen waren schon gut genug. Doch Gott hat ein großes Sahnehäubchen geschenkt, indem mehr Leute auf ihn aufmerksam wurden und ihr Geld mit ihm teilten und weitere Hilfe angeboten haben.
Diesen Sahnehäubchen-Moment gab es, weil sich in Bewegungen gesetzt, aus den inneren Grenzen ausgebrochen, die Komfortzone verlassen wurde. Ich wünsche mir für dich und mich, für die gesamte CVJM-Bewegung, dass wir immer wieder aus der Komfortzone ausbrechen und Sahnehäubchen-Momente verschenken können. 

sahnehäubchen


Darius Dunkel

Lydia Günther.
Bildungsreferentin im CVJM Thüringen

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